Die neue Pflegereform und was Sie dazu wissen sollten

Quelle: Verbraucherzentrale

Im Juni 2021 hat der Bundestag eine neue Pflegereform beschlossen. Seit dem 1. Januar 2022 sind nun alle Regelungen in Kraft. Erfahren Sie hier die wichtigsten Veränderungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Leistungsbeträge für Pflegesachleistungen, also die Beträge für den ambulanten Pflegedienst, und für die Kurzzeitpflege sind seit 1. Januar 2022 angehoben worden.
  • Durch einen höheren Zuschuss zu den Pflegekosten im Heim sollen Bewohner:innen seit 1. Januar 2022 finanziell entlastet werden.
  • Erstattungsansprüche gegenüber der Pflegeversicherung können unter bestimmten Bedingungen auch noch nach dem Tod einer pflegebedürftigen Person geltend gemacht werden.
  • Neu: Zusätzlich besteht ein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Übergangspflege im Krankenhaus, wenn die Versorgung einer Person nicht anders sichergestellt werden kann.

Die Heimplatzkosten setzen sich aus mehreren Bestandteilen zusammen:

  • den Pflegekosten
  • den Ausbildungskosten
  • den Investitionskosten
  • den Kosten für Unterkunft und Verpflegung

Die Pflegekassen beteiligen sich mit pauschalen Leistungsbeträgen je nach Pflegegrad an den Pflege- und Ausbildungskosten. In aller Regel reichen diese Beträge aber bereits nicht aus, um die entstehenden Kosten zu decken, sodass hier ein Eigenanteil an den Pflege- und Ausbildungskosten zu zahlen ist.

Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten muss der Pflegebedürftige immer selbst bezahlen.

Näheres zu den Kosten im Pflegeheim finden Sie hier.

 

Um die finanzielle Belastung der pflegebedürftigen Menschen abzumildern, wird für die Pflegegrade 2 bis 5 seit 1.1.2022 ein Leistungszuschlag zu den Pflege- und Ausbildungskosten gewährt und der Eigenanteil an den Pflege- und Ausbildungskosten schrittweise verringert. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen werden nach wie vor nicht bezuschusst.

Die Höhe der Zuschüsse richtet sich nach dem Zeitraum, in dem Leistungen der vollstationären Pflege bezogen werden.

Für Heimbewohner:innen mit Pflegegrad 2-5 beträgt der Leistungszuschlag

  • 5% des Eigenanteils an den Pflegekosten innerhalb des ersten Jahres
  • 25% des Eigenanteils an den Pflegekosten wenn sie mehr als 12 Monate,
  • 45% des Eigenanteils an den Pflegekosten wenn sie mehr als 24 Monate und
  • 70% des Eigenanteils an den Pflegekosten wenn sie mehr als 36 Monate in einem Pflegeheim leben.

Angefangene Monate in Pflegeeinrichtungen werden als voll angerechnet. Der Leistungszuschlag muss nicht beantragt werden. Die zuständige Pflegekasse teilt den Pflegeeinrichtungen für jede(n) Bewohner:in mit den Pflegegraden 2 bis 5 die bisherige Dauer des Bezugs vollstationärer Leistungen mit.
Pflegebedürftige Personen mit Pflegegrad 1 haben keinen Anspruch auf den neuen Zuschuss.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Leistungszuschlag zu einer tatsächlichen Entlastung führt. Schließlich ist im Jahr 2022 mit steigenden Personalkosten für Pflegekräfte durch die Tarifbindung von Pflegeeinrichtungen zu rechnen. Es ist damit zu rechnen, dass die Entlastungen so gering ausfallen, dass bereits in zwei Jahren wieder das heutige Durchschnittsniveau der Eigenanteile von mehr als 2.100 Euro erreicht sein wird.

Bei offenen Fragen zur Umsetzung der Zuschussregelung sollten Sie möglichst früh Ihre Pflegekasse oder Ihren Heimbeirat kontaktieren. Der Heimbeirat kann um eine Stellungnahme der Einrichtungsleitung bitten und auf die Bedeutung für die Bewohner:innen hinweisen.

Kurzzeitpflegebetrag und Pflegesachleistungen werden angehoben

Die neue Pflegereform sieht finanzielle Entlastungen für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 vor, die in den eigenen vier Wänden durch einen Pflegedienst versorgt werden. Ab dem 1. Januar 2022 werden Beträge für Pflegesachleistungen und Kurzzeitpflege erhöht.

Pflegesachleistungen werden um 5 Prozent erhöht:

  • Pflegegrad 2: seit 1. Januar 2022 724 Euro statt bisher 689 Euro
  • Pflegegrad 3: seit 1. Januar 2022 1363 Euro statt bisher 1298 Euro
  • Pflegegrad 4: seit 1. Januar 2022 1693 Euro statt bisher 1612 Euro
  • Pflegegrad 5: seit 1. Januar 2022 2095 Euro statt bisher 1995 Euro

Die Leistungen der Kurzzeitpflege sind um 10 Prozent von 1612 Euro pro Kalenderjahr auf 1774 Euro pro Kalenderjahr gestiegen. Um die Anhebung zu erhalten, müssen pflegebedürftige Menschen keinen separaten Antrag stellen.

Die Beträge für das Pflegegeld werden hingegen nicht angehoben.

Übergangspflege im Krankenhaus

Die Übergangspflege ist ein im Juli 2021 neu geschaffenes Angebot, für das nun vom GKV zum 1. November 2021 eine Vereinbarung zur Prüfung der Voraussetzungen erstellt wurde.

Die Übergangspflege kann in Anspruch genommen werden, wenn im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt die Versorgung nicht oder nur mit erheblichen Aufwand sichergestellt werden kann.

Das kann zum Beispiel sein, wenn häusliche Krankenpflege, eine Reha-Behandlung, Kurzzeitpflege oder weitere Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz (Verhinderungspflege, Tagespflege, oder andere) nicht verfügbar sind.

Dann können Betroffene in dem Krankenhaus, in dem sie ihre Behandlung erhalten haben, für bis zu zehn Tage eine Übergangspflege in Anspruch nehmen. Der Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus besteht für längstens zehn Tage je Krankenhausbehandlung.

Tipp: Betroffene sollten frühzeitig mit dem Sozialdienst im Krankenhaus oder mit der Krankenkasse in Kontakt treten, um offene Fragen zur Übergangspflege zeitnah zu klären. Um Irritationen bei der Beantragung zu vermeiden, denken Sie bitte daran, dass die Krankenkasse des Betroffenen und nicht die Pflegekasse für die Übergangspflege zuständig ist.

Einige Ansprüche gelten nun über den Tod hinaus

Bisher galt: Erstattungsansprüche gegenüber der Pflegeversicherung erlöschen mit dem Tod des versicherten Pflegebedürftigen. Das betraf beispielsweise

  • Kosten für eine Verhinderungspflege durch einen Pflegedienst oder durch Angehörige,
  • die Kosten für Entlastungsleistungen,
  • zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel, oder
  • Kosten für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen.

Die Rechtsnachfolger oder Erben konnten diese vorfinanzierten Leistungen nach dem Tod der pflegebedürftigen Person nicht erstattet bekommen. Mit der Neuregelung wird erreicht, dass Kostenerstattungsansprüche nach dem Tod des Versicherten bestehen bleiben und innerhalb von zwölf Monaten geltend gemacht werden können. Mit der Gesetzesänderung haben die Familien nun mehr Zeit, die Erstattung bei der Pflegekasse einzufordern.

Das bedeutet, dass die Erstattung von bereits eingetretenen Kosten, die zum Beispiel von dem betroffenen Versicherten vorgestreckt wurden, auch noch nach dessen Tod von den Erben bei der Pflegekasse eingefordert werden können.

Selbstverständlich muss die Leistung allerdings vor dem Tode erbracht worden sein: Zum Beispiel, wenn die Verhinderungspflege oder die Betreuung durch einen Anbieter in Anspruch genommen wurde, aber die Rechnung erst nach dem Tod bei der Pflegekasse eingereicht wird. Oder der Wohnungsumbau hat bereits stattgefunden, aber der Versicherte verstirbt, bevor die Rechnung eingereicht werden konnte.

Mehr Hinweise auf Beratungsmöglichkeiten

Um die Verbraucher zukünftig intensiver darauf aufmerksam zu machen, dass sie einen Anspruch auf eine Pflegeberatung auch während des ganzen Pflegeprozesses haben, muss jetzt nicht nur bei der Beantragung eines Pflegegrades eine Pflegeberatung mit einem konkreten Ansprechpartner innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang angeboten werden, sondern zukünftig auch bei der Beantragung weiterer Leistungen der Pflegeversicherung. Dies gilt auch bei der Beantragung unter anderem von

Die Pflegeberatung kann durch die Pflegekasse selbst erbracht werden oder mittels eines Beratungsgutscheins erfolgen. In diesem Fall muss die Pflegekasse Beratungsstellen nennen, bei denen die Beratung innerhalb von zwei Wochen erfolgen kann.

Gut zu wissen: Während der Pflegeberatung ist ausdrücklich auf die Möglichkeit eines individuellen Versorgungsplans hinzuweisen. Anspruchsberechtigte erhalten damit eine umfassende Unterstützung bei der Klärung individueller Fragen.

Vereinfachte Versorgung mit Hilfsmitteln

Damit Menschen mit Pflegebedürftigkeit entlastet sind und ihre Versorgung unkomplizierter wird, dürfen Pflegefachkräfte zukünftig Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben. Das bedeutet für Sie, dass Sie diese Empfehlung einem Antrag auf ein Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel beifügen können.

Dadurch wird eine ärztliche Verordnung nicht mehr benötigt. Die Notwendigkeit und die Erforderlichkeit der Versorgung werden dann vermutet.

Die Empfehlung der Pflegefachkraft darf bei der Antragstellung nicht älter als zwei Wochen sein.

Die Einzelheiten zum Ablauf des Verfahrens werden allerdings erst zum Ende des Jahres 2021 vorliegen. Auch hier gilt daher, dass der Anspruch derzeit noch nicht in Anspruch genommen werden kann.

Tipp: Haben Sie eine ärztliche Verordnung oder zukünftig eine Empfehlung einer Pflegefachkraft für ein Hilfsmittel erhalten, nehmen Sie Kontakt mit Ihrer Pflege- oder Krankenkasse auf. Dort beantragen Sie schriftlich die Versorgung mit dem Hilfsmittel. Die Kasse erläutert Ihnen die weiteren Schritte, entscheidet über den Antrag und teilt Ihnen mit, über welche Hilfsmittelanbieter Sie versorgt werden können. Weitere Informationen zur Beantragung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln finden Sie in unserem separaten Artikel.

Umwandlung von Pflegesachleistungen auch ohne Antrag möglich

Wie bisher können Sie einen Teil der Pflegesachleistungsbeträge für nach Landesrecht anerkannte Entlastungsleistungen nutzen. Bisher mussten Sie dies aber bei der Pflegekasse beantragen. Dies hat sich nun geändert. Nunmehr können Sie bis zu 40 Prozent der ungenutzten Pflegesachleistungsbeträge ohne vorherigen Antrag für Entlastungsleistungen verwenden.

Weitere Tipps und Informationen zur Beantragung von Entlastungsleistungen erhalten Sie hier.